Wer ist böse?

Unsere Dreieinvierteljährige hat ihren ersten Kinobesuch hinter sich. Bei „Paddington“ war der Bösewicht eine gutaussehende Tierpräparatorin, die dem Teddybär ans Fell möchte. Vorher hatten wir Angst, die Frau würde unser zartes Töchterlein nachhaltig verängstigen. Hinterher jedoch meinte unser Kind, die Frau sei gar nicht böse gewesen, denn „wer böse ist, hat auch ein böses Gesicht“. Gutaussehende Bösewichter sind für sie undenkbar.
Sie muss wirklich noch viel lernen.

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Bahnfahrt in die Vergangenheit

Neulich haben wir eine längere Zugreise gemacht. Wir landeten in einem mindestens 20 Jahre alten alten Interregio-Waggon, der keine Klimaanlage hatte. Es war heiß, die Fenster wurden aufgerissen, die Luft wummerte fast unerträglich laut in den Ohren.

Doch wenn der Zug langsam fuhr, konnten wir die Hand aus dem Fenster strecken und den Fahrtwind spüren. Oft hielten wir auf freier Strecke und sahen alte zerfallene Bahngebäude zum Greifen nah. Am Bahnhof winkten die Kinder den Reisenden auf dem Bahnsteig zu, bevor uns beim Beschleunigen der Wind immer stärker ins Gesicht blies, bis wir es nicht mehr aushielten.
Ein sinnliches Erlebnis, das mich an meine Kindheit erinnerte und die Bahnfahrt für alle abwechslungsreicher machte.

Die modernen leisen, kühlen Waggons sind ein Fortschritt, keine Frage. Aber es gibt wohl keinen Gewinn ohne Verlust.

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Ich will jetzt gehen!

Oft sagt ein Erwachsener zum Kind auf dem Spielplatz: „Wir wollen jetzt gehen.“ Hab ich auch schon gemacht. Doch das stimmt meist gar nicht. Denn nur der Erwachsene möchte gehen, das Kind will bleiben. Also entweder: „Wir müssen jetzt gehen,“ wenn es wirklich einen zwingenden Grund gibt. Oder: „Ich will jetzt gehen.“ Das ist ehrlicher und schiebt dem Kind kein Gefühl unter, das es gar nicht hat.

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Ich will ein Donner sein

Wie beschränkt die eigene Existenz ist, findet meine Tochter gerade heraus, denn sie möchte viel mehr sein als nur ein knapp dreijähriges Menschenmädchen: ein Baby, eine Katze, ein Eichhörnchen, ein Nilpferd, ein Krokodil. Ja sogar ein Bagger oder ein Donner. Eigentlich alles, was sie beeindruckt.

Vielleicht sollte sie Schauspielerin werden.

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Langeweile statt Bauchweh

Wenn das Baby schreit und man weiß nicht wieso, dann heißt es schnell: „Es hat Bauchweh.“ Dabei ist ihm manchmal einfach langweilig oder es ist anderweitig unausgeglichen. Welchem Menschen reicht es schon, satt, sauber und schmerzfrei zu sein? Zwar braucht ein Säugling noch keinen erfüllenden Job oder ein herausforderndes Hobby. Aber er ist eben nicht nur Körper sondern schon ein ganzer Mensch, der innere und äußere Spannungen ausbalancieren muss. Mehr als jedes Tier. Eine Aufgabe für’s Leben.

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Doch kein Junge – über gewagte Vorhersagen

Unser Baby ist ein Mädchen und kein Junge, wie alle vorher dachten. Der Irrtum illustriert gleich mehrere Schwächen des menschlichen Denkens:

Wir haben wohl auf einen Jungen getippt, weil wir davor ein Mädchen bekommen haben. Aber die Wahrscheinlichkeit für einen Jungen steigt kein bisschen, weil man davor ein Mädchen bekam.

Das Baby bewegte sich im Bauch auffällig stark. Ein Hinweis für einen Jungen dachte ich, da Jungs ja im Schnitt motorischer und raumgreifender sein sollen. Doch selbst wenn das im Durchschnitt stimmen sollte, kann eine statistische Aussage nie einen Einzelfall vorhersagen.

Erstaunlich, wie viele Leute uns erzählt haben, ein spitzer Bauch deute auf einen Jungen hin. Dabei bestimmt wohl eher die Größe und Figur der Frau die Bauchform. Dass sich dieser Mythos hält, obwohl ja etwa die Hälfte der Vorhersagen falsch ist liegt wahrscheinlich daran, dass die andere Hälfte richtig ist. Wir sind einfach viel offener für alles, was unsere Meinung bestätigt als für das, was sie widerlegt. Wird man genauso oft bestätigt wie widerlegt, dann bleibt unterm Strich wohl Bestätigung übrig.

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Lieber ohne

Erwachsene wollen Brot ohne Gluten, Wurst ohne Geschmacksverstärker, Nudeln ohne Farbstoff. Mein Töchterchen dagegen möchte Brot ohne Rinde. Wurst ohne Pelle. Nudeln ohne Soße. Birne ohne Schale.

Neulich fragte ihre Mutter die Oma: „Möchtest du den Kaffe mit Koffein oder ohne?“
Oma: „Ich nehm‘ mit.“
Kind: „Ich nehm‘ ohne“

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Namensfindungsprobleme

Das neue Baby ist da. Jetzt braucht es einen Namen. Schwierig. Alles, was einem spontan einfällt und gut klingt, geht nicht – zu häufig. Das Kind soll ja später nicht die vierte Lea in ihrer Klasse sein. Leider klebt an den originelleren Namen oft ein Schild mit der Aufschrift: „Achtung! Dieser Name ist etwas ganz Besonderes! Die Eltern haben sich sehr viel Mühe gegeben, aus der Masse hervorzustechen und überschätzen die Einmaligkeit ihres Görs maßlos!“ Ein besonderer Name wirkt nicht selbstverständlich.

Die Namensfindung zeigt sehr schön den auch sonst verbreiteten Versuch, total besonders zu sein, aber dabei bloß nicht aufzufallen. Und so ist der moderne Name wie ein modernes Industrieprodukt: in Massenproduktion gefertigt, aber individuell konfiguriert. Laura, Lea, Layla, Lina, Lena, Leni, Luisa. Echte Individualität sieht anders aus. Und so müssen wir uns entscheiden: besonders oder unauffällig. Beides geht nicht.

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Die böse Schnecke – Alpträume

Neulich wachte meine zweieinhalbjährige Tochter nachts schreiend auf. Eine böse Schnecke sei über ihr Bein gekrabbelt. (Am selben Tag hatte ein Kind Schnecken in den Kindergarten gebracht.) Es war nicht möglich, sie wieder zurück ins Bett zu legen. Der Versuch, ihr klarzumachen, dass sie das nur geträumt hatte und die Schnecke nicht wirklich in ihrem Bett gewesen war, war erwartungsgemäß nicht sehr erfolgreich. „Doch, sie war da!“ „Wo ist die Schnecke jetzt?“ Ich: „Die haben wir rausgeschmissen.“ Kind: „Können wir da mal hingehen?“

Als sie gestern aber träumte, dass ihre Mutter ihr Lieblingskuscheltier ins Klo geworfen hatte, war sie morgens schon offener für die Erlärung, das sei nur in ihrem Kopf passiert. Ab wann Kinder wohl verstehen können, was Träumen bedeutet?

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Das Muttertagsgeschenk

Muttertagsgeschenke sind ein soziales Ritual und entspringen selten spontanen Liebesgefühlen. Mein siebenjähriger Stiefsohn versucht gar nicht erst, das zu verbergen. Freimütig berichtet er zwei Tage vorher über die Produktion des Geschenks in der Schule: „…dann mussten wir ‚I love you‘ darüberschreiben, und dann mussten wir Blumen ausschneiden und darunterkleben…“

Am Muttertag zieht er dann aber ohne weitere Anweisungen das Geschenk hervor und wir erfahren, was er an seiner Mutter besonders mag: dass sie mit ihm ins Legoland geht.

Das erinnert mich an Erntedank, wo er aufschreiben sollte, wofür er dankbar ist: für seine Schwester und sein Lego.

Oder an seine Überlegung, wo er lieber ist: bei Mama oder bei Papa? Er wisse nicht so recht, denn einerseits möge er Lego, aber andererseits möge er auch Playmobil.

Der Hintergrund: seine Lego ist bei uns, sein Playmobil beim Vater.

Man sollte allerdings nicht glauben, sein Spielzeug sei ihm wichtiger als die Liebe seiner Eltern. Aber die Liebe ist zu selbstverständlich, als das er sie erwähnen würde. Das ist eigentlich ein gutes Zeichen.

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